Die ältesten Kirchschlager Familiennamen
Wer die historische Entwicklung eines Ortes etwas genauer erforschen will, der tut gut daran, sich mit den Familiennamen der alteingesessenen Ortsbewohner etwas näher zu befassen. Das gilt weniger von Großstädten, die einen starken Wechsel der Einwohnerschaft aufweisen, als für ländliche Verhältnisse, wo viele Familien oft durch Generationen in demselben Wohnort verblieben. Namentlich für die Bauernschaft trifft dies zu, die wesentlich sesshafter ist als andere Bevölkerungsteile. Aber auch die Bürger der kleinen Marktorte wechselten in früheren Jahrhunderten weitaus seltener als heute ihren Wohnort, so dass beispielsweise in Kirchschlag nicht nur die Bauern, sondern auch die Marktbewohner durch mehrere Jahrhunderte ihrer angestammten Heimat treu blieben, insbesondere soweit es sich um sogenannte „Ackerbürger“ handelte, die neben ihrem bürgerlichen Gewerbe als Angehörige der Marktgemeinde (später: „Marktgenossenschaft“) auch eine kleine Landwirtschaft mit einigen Äckern und etwas Viehwirtschaft betrieben.
Freilich lässt sich dies nur bis 1489 zurückverfolgen, in welchem Jahr das erste Kirchschlager Marktgedenkbuch begonnen wurde, in das man alle bedeutenden Ereignisse des örtlichen Geschehens und damit zugleich auch die Namen der hievon betroffenen Personen eintrug.
Was nun die Namensbildung anlangt, so müssen wir uns allerdings auch vor Augen halten, dass es bei uns bis zum 12. Jahrhundert nur Taufnamen und noch keine Familiennamen gegeben hat. Im Zuge eines immer größer werdenden Bevölkerungszuwachses wurde es jedoch dauernd schwieriger, die Menschen bloß durch den Taufnamen zu unterscheiden, so dass es sich – zunächst in den Städten, nach und nach aber auch auf dem Land – als notwendig erwies, zur besseren Identifizierung der einzelnen Personen die Taufnamen durch einen Zunamen (Familiennamen) zu ergänzen.
Diese Familiennamen haben sich in Kirchschlag vielfach durch zahlreiche Generationen hindurch erhalten, so dass wir so manche in den Marktgedenkbüchern vom 15. bis zum 17. Jahrhundert aufscheinenden Familiennamen noch im heutigen Kirchschlager Telefonbuch vorfinden.
In der folgenden Darstellung sei dies im Einzelnen nachgewiesen, wobei die hinter jedem Namen in Klammer angeführte Zahl jenes Jahr nennt, in dem der betreffende Name erstmal urkundlich aufscheint.
Bei der Namensgebung haben es sich jene Familien am leichtesten gemacht, die einfach einen bei ihnen häufig vorkommenden Taufnamen zum Familiennamen erhoben, wobei vielfach eine Kurzform oder ein Kosenamen verwendet wurde. So ist Liebl oder Lübl (1608) vom altdeutschen Personennamen Leubilo abzuleiten. Melchart (1632) ist eine Weiterführung des Taufnamen Melchior, während der Namen Heißenberger (1632) vermutlich den Vornamen Hois enthält, der eine Kurzform für Matthäus darstellt. Hackl (1657) ist eine Verkleinerung des altdeutschen Taufnamens Hago, während der Name Seidl (1608, 1632) vom altdeutschen Taufnamen Situle herrührt und Liebentritt (1570) vom altdeutschen Namen Liubtrit abzuleiten ist. Drimmel (1683) ist die Verkleinerung von Drümmer und auf den altdeutschen Vornamen Trutmar zurückzuführen.
Kam ein Fremder in die Gemeinde, wurde er meist nach seinem Herkunftsort benannt wie z.B. Zöberer (1638/Zöbern), Breitfellner (1642/Breitenfeld). Den Namen Straßgürtel (1638) erhielt wohl ein Gürtelmacher, der aus einem der vielen Orte stammte, die Straß heißen.
Auch die Haarfarbe prägte nicht selten den Zunamen. Dazu gehört Schwarz (15. Jh.), Weiß (1500) und Braun (1500). Dagegen weisen die Namen Strobl (1632) und Zodl (1571) auf struppiges, bzw. zottiges Haar hin.
Nach Berufen sind benannt: Weber (15. Jh.), Wagner (1506), Schmied (1510), Eisner (1635, Eisenhändler oder Eisenschmied), Schermann (1634/Haarschneider), Handler (1688) und Schuster (15. Jh.).
Auch der Name Schuch (1644/=Schuh) hängt zweifellos mit dem Schustergewerbe zusammen. Denn das Wort Schuster stammt letzten Endes von dem lateinischen „sutor“, aus dem sich das mittelhochdeutsche „sutaere“ entwickelte. Vor dieses der lateinischen Sprache entlehnte Fremdwort trat zur Verdeutlichung vielfach das Wort „schuoch“, so dass man von „schuoch-sutaere“ sprach, woraus sich als Kurzform der Personennamen „schuoch“ = Schuster entwickelte. Noch heute stehen im Kirchschlager Telefonbuch unmittelbar hintereinander die Namen Schuh und Schuster!
Freiler (1634) ist jemand der „frei“, d.i. ohne Bindung an eine Zunft, ein Gewerbe ausübt. Bleier (1633) ist wohl ein das Bleimetall bearbeitender Gewerbetreibender. Den Namen Schabel (1607), der von dem Worte „Schabe“ = Hobel herrührt, gab man jemandem, der eine Tätigkeit mit einem Hobel ausübte. Ähnlich verhält es sich beim Schlögl (1632); diesen Namen gab man Leuten, die wie z.B. Bergleute oder Fassbinder mit einem Schlegel arbeiteten.
Bei den Bauern wurde der Zunamen vielfach von der Lage des von ihnen bewohnten Hauses beeinflusst. So lag das Haus eines Winkler (15. Jh.) in einem Winkel, d.h. in einem Ende des Tales, das Haus des Stocker (15. Jh.) an einer ausgerodeten abgestockten Waldstelle, das des Puchegger (1689) an der Ecke eines Buchenwaldes und das des Brunner (15. Jh.) an einem Brunnen oder einer Quelle. Der Bauer auf einem Wiesengrundstück erhielt den Namen Wieser (1632), jener in der Einöde oder Öde den Namen Eder (1634).
Beim Haus des Posch (1600) stand offenbar ein „Buschen“ oder Strauch, beim Kerschbaumer (1644) ein Kirschbaum und beim Dorner (1667) viel Dornengestrüpp.
Wer auf einen „Bühel“ (=Hügel) hauste, wurde Picher (15. Jh.) oder Pichler (1642), allenfalls auch Pichlbauer (1681) benannt. Dagegen erhielt der in einer Geländetiefe (Grube) wohnende den Namen Gruber (1632). Reithofer (1637) bezeichnet den Besitzer einer durch „reuten“ = Rodung gewonnenen Hofstelle. Holzbauer (1633) heißt der Bauer, dessen Hof nah beim „Holz“ = Wald liegt. Der Hof des Hofleitner (1647) steht auf einem Bergabhang (=Leiten). Beim Namen Kornfeld (1544) wurde die Bodenbeschaffenheit des Grundstückes ohne Personifikation auf den Familiennamen übertragen. Metzenbauer (1687) ist offenbar ein Besitzer von viel Metzen Getreide.
Wer sich neu ansiedelt und ein Haus baut, heißt Neubauer (1668) und den Erbauer einer neuen Mühle nennt man Neumüller (15. Jh.).
Auch die rechtliche Art des Besitzes spielt bei der Namensgebung gelegentlich eine Rolle. So ist Lechner (15. Jh.) der Besitzer eines Hofes, der diesen als Lehen gegen Zahlung von Abgaben und Dienstleistungen an die Herrschaft bewirtschaftet. Konlechner (1687) ist gleichfalls Besitzer eines Lehens, der seinem Zunamen noch den Taufnamen (Kon = altdeutsch kuoni) vorangestellt hat. Vollnhofer (1632) heißt, wer im Gegensatz zu den kleineren Halb- und Vierlehnern einen vollen Hof besitzt.
Der Name Mayer (1607) bezeichnet den Wirtschafter eines herrschaftlichen Meierhofes. Unter dem Namen „Graf“ (1638), der zunächst einen kaiserlichen Beamten auf einer Grafschaft kennzeichnete, ist später im ländlichen Bereich ein Richter oder Amtmann zu verstehen der als Vorsteher einer Gemeinde tätig ist. Bürger (1660) heißt der Stadt- und Marktbürger, ein mit dem Bürgerrecht ausgestatteter Mann. Kuntner (1646) ist ein allseits Bekannter, allenfalls auch ein Kunde.
Manche Leute wurden auch mit Nachnamen oder Spitznamen versehen, die ursprünglich vielleicht bloß scherzhaft gebraucht wurden, schließlich aber doch erhalten blieben und heute noch ernst zu nehmende Familiennamen ihrer Namensträger darstellen. Derartige Spitznamen wurden gelegentlich auch Fürsten zuteil, so z.B. dem Herzog Friedrich von Tirol, der als „Friedrich mit der leeren Tasche“ bezeichnet wurde, weil er vielfach unter großer Geldnot litt. Ähnliches scheint auch dem Kirchschlager Namen „Lahrnsack“ (1637) zugrunde zu liegen, der offenbar als „leerer Sack“ zu deuten ist. Diese Leere des Sackes dürfte sich aber höchstwahrscheinlich 1637 bis heute bereits längst behoben haben!
Insgesamt zeigt der vorliegende Bericht, dass Kirchschlag eine sehr große Zahl von seit mehreren Jahrhunderten dort ansässigen Familien besitzt. Diese Zahl wäre jedoch weitaus größer, wenn man in sie nicht nur die von männlichen, sondern auch von weiblichen Familienmitgliedern weitergeführten Familien einbeziehen würde. Denn die Frage, wie tief eine Familie in ihrer Heimat verankert sei, ist nicht davon abhängig, ob die Generationskette von einem Mann oder einer Frau fortgesetzt wird. Vielmehr bedeutet jede Verbindung von Generationen – mag sie durch wen immer erfolgen – eine Fortsetzung der Familie.
Die Durchführung dieses Grundsatzes konnte in vorliegender Arbeit nur deshalb nicht erfolgen, weil es hiefür an urkundlichen Belegen mangelt, da so weit zurückliegende Aufzeichnungen über Eheschließungen in der Pfarre Kirchschlag nicht vorhanden sind.
(Dr. Bruno Schimetschek, 1982)