Die Liebfrauenkirche
Um 1390 ließ der Kirchschlager Herrschaftsinhaber Konrad III. von Pottendorf am Abhang des Schlossberges eine Kirche zu Ehren „Unserer Lieben Frau“ errichten, welche im Wesentlichen die Funktion einer Schlosskirche zu erfüllen hatte und die er mittels Stiftsbrief vom 22. Juni 1391 mit einem reich dotiertem Benefizium (kirchliches Amt, das von einem eigens angestellten Kaplan versehen wurde) ausstattete. Ein in verschiedenen Urkunden und in der Folge auch in der heimatkundlichen Literatur fälschlicherweise aufscheinender Stifter Christoph von Pottendorf (angeblich ein Sohn des Konrad) geht auf eine fehlerhafte Transkription der oben genannten Stiftungsurkunde durch einen Wiener Neustädter Notar im Jahr 1722 zurück; gegeben hat es diesen Christoph in Wirklichkeit nicht.
Die Herrschaft übte anfänglich auch das Patronatsrecht für das Benefizium aus. Nachdem dieses Recht für lange Zeit von der Herrschaft nicht ausgeübt worden war und der jeweilige Kirchschlager Pfarrer auch das Amt des Schlosskaplans bekleidet hatte, bestand erst Nikolaus VIII. Graf Pálffy im Jahre 1761 wieder darauf und ließ auch damals die Liebfrauenkirche renovieren und neu einrichten, wobei der Hochaltar mit einer Kopie des Gnadenbildes Maria Pötsch versehen wurde. 1783 wurde das Benefizium auf die Filialkirche in Lembach übertragen und 1787 fiel die Liebfrauenkirche schließlich der Verfügung Kaiser Josefs II., alle für den Gottesdienst nicht mehr benötigten Kirchen aufzulösen, zum Opfer. Die Kirche wurde entweiht und das Inventar an andere Kirchen aufgeteilt: Die Orgel erhielt die Pfarrkirche Trattenbach, die Kanzel und den Seitenaltar, welcher der hl. Thekla geweiht war, die Pfarrkirche Haßbach, die goldenen Leuchter die Pfarrkirche Deutsch-Brodersdorf, die Glocken sowie das Kirchenpflaster die Filialkirche Lembach (davon hat sich eine Glocke aus dem Jahr 1653 erhalten) und das Gnadenbild Maria Pötsch vom Hochaltar die Kirchschlager Pfarrkirche, wo es sich heute am linken Seitenaltar befindet. Das profanierte Kirchengebäude bestand in der Folge noch viele Jahre (1804 war es noch in gutem Zustand), bevor es um 1820 von der Herrschaft zum Abbruch verkauft wurde. 1824 wurde dann von „wenigen Trümmern einer erst kürzlich abgebrochenen Kapelle mit Spuren der alten Freskogemälde“ berichtet. 1871 waren „von der Malerei ein überlebensgroßes Gemälde, wahrscheinlich den hl. Andreas und eine Dame mit segnender Hand darstellend, übrig geblieben“; heute ist davon nichts mehr vorhanden.
Seit der Freilegung der verschütteten Reste im Jahre 1986 kann man sich über das ehemalige Aussehen der Liebfrauenkirche wieder ein recht gutes Bild machen. Es war dies ein kleiner spätgotischer Bau mit drei von Kreuzrippengewölben überspannten Jochen (Rippenanfänge auf Konsolen an der Südmauer; der Wappenschild mit einem Kreuz an der mittleren Konsole ließ sich bisher leider nicht deuten) und einem polygonalen Chorschluss (fünf Seiten eines Achteckes) im Osten. Ein kleiner Anbau an der Nordseite diente als Sakristei. Wie der bekannte Vischer-Stich aus dem Jahre 1672 zeigt, besaß die Kirche über dem Westgiebel einen Dachreiter für die Glocken, mit denen laut Gemeinderechnungen des 18. Jahrhunderts der Schulmeister im Auftrag der Marktgemeinde das Wetterläuten durchführte, um die Unwetter von Kirchschlag abzuhalten.
Ebenso lassen einige Baudetails auf ihren einstigen Verwendungszweck schließen. So erinnert an die im Westteil der Kirche ehemals auf zwei Bögen ruhende Herrschaftsempore, von welcher aus der Burgherr mit seiner Familie dem Gottesdienst beiwohnen konnte, heute noch ein Bogenanfang an der Südwand, der Sockel des Mittelpfeilers sowie die Wendeltreppe in der Südwestecke. Im Chorschluss im Osten der Kirche findet man noch den Sockel des Hochaltares und eine kleine Wandnische (Lavabonische), die der Aufstellung eines Wassergefäßes zur rituellen Handwaschung des Priesters während der Messfeier diente.
Die heute sichtbaren Reste der Liebfrauenkirche gehören aber nicht, wie bisher vermutet, der ursprünglichen Kirche des späten 14. Jahrhunderts an. Diverse Baudetails (das vergleichsweise „moderne“ Mauerwerk sowie Steinmetzzeichen, die man auch an der um 1451 vollendeten St. Wolfgangs-Kirche in Kirchberg am Wechsel häufig findet) deuten auf einen kompletten Neubau der Kirche um die Mitte des 15. Jahrhunderts hin. (Mag. Franz Wanek, 2020)